Schiffdorf hat zu viel Schotter

 

Fakt ist:

„Die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke müssen Grünflächen sein, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind.” - So steht es im Absatz 2 des § 9 der Niedersächsischen Bauordnung. Diese ist für alle Kommunen im Land verpflichtend, sie ist Landesrecht.

 

Dennoch gefiel es der CDU-Fraktion im Schiffdorfer Gemeinderat, diese recht eindeutige Regelung noch einmal zu bekräftigen. Sie tat das im Antrag für die Ratssitzung am 9. 12. 2019. Die Abgeordneten Henrik Wärner und Denis Ugurcu formulierten:

 

„Der Rat möge beschließen: Die Bauleitplanung der Gemeinde Schiffdorf wird dahingehend geändert, dass zukünftig in Neubauten keine sog. Kiesbeete mehr angelegt werden sollen. Insbesondere eine Versiegelung des Bodens unter Kies o. ä. ist nicht mehr erlaubt.”

 

Begründet haben die beiden Antragsteller dies nicht mit der geltenden Rechtslage, sondern mit der Motivation neuer Bauherren (sic!),

 

„ihre Gärten zu begrünen und so zur Biodiversität beizutragen. Insekten, insbesondere Bienen, sowie Kleinlebewesen sollen so bei uns gestärkt werden. Auch die Pflanzung von Bäumen begrüßen wir ausdrücklich.”

 

So weit, so gut. Politisch Interessierte mögen sich zwar fragen, warum eine für ganz Niedersachsen geltende Vorschrift noch einmal für eine einzelne Gemeinde bekräftigt werden muss - aber „doppelt hält besser!” mögen sich die Antragsteller gedacht haben.

 

Allein - was ist geschehen mit dem Antrag der CDU und mit den Schottergärten in Schiffdorf?

 

Zunächst einmal wurde der Antrag nicht abgestimmt, sondern er wurde auf die lange Bank geschoben. Erst im Juni 2022, also zweieinhalb Jahre später, taucht das Verbot von Schottergärten im politischen Betrieb wieder auf, und zwar auf S. 5 der „Städtebaulichen & gestalterischen Leitlinien der Gemeinde Schiffdorf”:

 

„Schotterflächen (oftmals auch als „Steingärten“ bezeichnet) sind in den Bereichen der Baugrundstücke, die an einer öffentlichen Verkehrsanlage liegen, nicht zulässig. Die Vorgartenbereiche sind grundsätzlich einzugrünen.”

 

Diese Leitlinien wurden einstimmig vom Bauausschuss am 5. 7. 22 beschlossen, im Rat der Gemeinde dann am 12. 7. 22 mit 27:1:1 Stimmen. Der Rat beschloss aber folgende Hintertür als Ausweg aus allzu umweltfreundlichen Regelungen:

 

„Die Leitlinien stellen eine unverbindliche Entscheidungshilfe bei städtebaulichen Planungen dar.”

 

Neben allerlei Vokabular aus der Umweltpolitik wie „Klimaschutz”, „Wahrung des Ortsbildes”, und vor allem dem Schiffdorfer Lieblingswort „Nachhaltigkeit” formulierte die Politik hier ein Mittel, unverbindlich und unangreifbar zu sein, um die „grundsätzliche gestalterische Baufreiheit” nicht zu gefährden, die auch in den Leitlinien verankert wurde. Mit anderen Worten: Grundsätzlich sind wir gegen Schottergärten, aber wenn jemand von seiner gestalterischen Freiheit Gebrauch machen will, werden wir uns nicht dagegen sperren. Wer kann schon gegen die Freiheit des Einzelnen auftreten? Wer möchte nicht Schotter haben?

 

Wie freiheitsliebend in Schiffdorf mit den Gesetzen des Landes Niedersachsen umgegangen wird (ganz Gallien / Niedersachsen?), zeigte sich bei einer Besichtigung der Vorgärten der Ortschaft im Juli 2023. Auch bei recht liberaler Auslegung der Begrifflichkeit des Gesetzes und einschlägiger Urteile („Grünfläche”) waren 36 Vorgärten zu zählen, die entweder mit Schotter bedeckt oder vollkommen zugepflastert waren. Die auch verbreiteten Rindenmulch-Gärten sind dabei nicht mitgezählt, obwohl auch sie unter das Verbot fallen.

 

Fakt ist:

Man kann also von über 40 Vorgärten sprechen, die in Schiffdorf die Umwelt belasten.

 

Die Frage ist:

Wieso bleibt die Verwaltung passiv, obwohl sie diesen Zustand laut Gesetz beenden müsste?

 Wieso schweigt die CDU, einst Befürworter des Verbots von Schottergärten, obwohl sie den Bürgermeister stellt.

 

Und die Grünen? Nicht nur, dass auch sie unhörbar sind, musste sich ihr Ratsherr Hauke Kahrs in der Nordsee-Zeitung dafür rechtfertigen, dass auch er einen Schottergarten sein Eigen nennt.